Nürnberger Nachrichten, 18.08.2004

Der Lehrling des Magiers
Gerd Scherms neuer Roman „Schamanenkind“

Als „Schamanen“ bezeichnete man ursprünglich die Stammeszauberer der Naturvölker Innerasiens, Sibiriens und Amerikas. Doch seit den 1970er Jahren ist der Schamanismus auch in der westlichen Esoterik „Kult“ geworden. Auslöser waren vor allem die Bücher des amerikanischen Anthropologen Carlos Castaneda, in denen er seine Lehrzeit bei einem mexikanischen Indianer-Zauberer beschrieb. Mittlerweile funktioniert der Schamanismus auch im ländlichen Franken.
Der neue Roman „Schamanenkind“ des in Binzwangen im Naturpark Frankenhöhe lebenden Autors Gerd Scherm erzählt davon. Wie einst bei Castaneda, so geht es auch bei Scherm um die Geschichte einer Initiation, einer Einweihung in Geist und Praxis der Magie. Der 12-jährige Falko, ein Waise und einsamer Zugereister im Frankendorf, wird vom Orts-Sonderling unterrichtet. Er lernt, den faszinierenden, aber auch mühsamen Weg eines „Mannes der Macht“ zu gehen. Wobei „Macht“ nicht Gewalt über andere bedeutet, sondern über sich selbst, über die Kraft und Energie, die in jedem Menschen steckt.
Er lernt, die Natur zu „schauen“ und gewinnt dabei Selbstvertrauen und seine erste Freundin. Scherms Buch wendet sich in erster Linie an Altersgenossen Falkos, doch es hat auch Erwachsenen etwas zu bieten. Der Autor fand so schlichte wie anrührende Bilder für seine Schilderung von Trauer, Isolation, Furcht und Verwirrung auf der einen Seite der Realität, Vertrauen und Liebe auf der anderen. Seine Einführungen in die Techniken der Meditation und des „autogenen Trainings“ kommen ohne düsteren oder pseudowissenschaftlichen Hokuspokus aus. Betont werden ästhetische und spielerische Elemente. Der Schamanen-Lehrling beschäftigt sich mit Ausdruckstanz, Fingermalen und mit dem Basteln eines „Kraft-Stabes“ aus allerlei Fundstücken.
Scherm verarbeitete in diesen Passagen seine jahrzehntelange Erfahrung als Objektkünstler und Performer. So veranstaltete er 1976 eine „Earth Healing Ceremony“ auf einem Berg in Kanada. Im Frühjahr 1990 begann er mit dem Projekt „Magischer Garten“ in der Nähe von Fürth. Den „Schamanen in uns“ beschwor er mit seiner viel beachteten Schau „Indian Summer“ 1992.
Zu dem Buch „Schamanenkind“ wurde er vom deutschen „Freundeskreis Indianerhilfe“ angeregt, eine Initiative von Ärzten, die sich medizinischen und sozialen Projekten für die Amazonas-Indianer widmet. 
Bernd Zachow

Gerd Scherm: Schamanenkind, Spirit Rainbow Verlag, Aachen, 216 Seiten mit zehn farbigen Abbildungen, 16,90 Euro.

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