Zauberzeichen eines Wahrheitssuchers
Der Autor Gerd Scherm hat viele Preise erhalten und nun
erstmals einen großen Verlag gefunden
21. Dezember 2006
Auszeichnungen
hat der 1950 geborene Autor Gerd Scherm bereits reichlich bekommen.
Mit 22 Jahren erhielt er den Kulturförderpreis der Stadt Fürth, 1977
einen Lyrikpreis, 1991 einen Essaypreis, 1995 den Wolfram von
Eschenbach Förderpreis, außerdem verschiedene Kunstpreise und zwei
Dichter-Medaillen, darunter die Paulskirchen-Medaille. Nach dem Book
on Demand-Award kam zuletzt, im Oktober, noch der renommierte
Friedrich Baur Preis der bayerischen Akademie der Künste
hinzu.
„Der Nomadengott“
Inklusive einiger in
jüngster Zeit vergebener Autorenstipendien des Auswärtigen Amtes ist
Scherm damit wohl einer der am häufigsten geehrten fränkischen
Autoren, ein Autor zudem, der bisher nur in Kleinst- und
Eigenverlagen veröffentlicht hat, bis nun endlich der Heyne-Verlag
den „Nomadengott“ aus dem umfangreichen Œuvre herausgriff. Offenbar
auf Anhieb ein Verkaufserfolg. Die beiden nächsten Bücher sind
bereits geplant.
Da drängt sich die Frage auf: Warum ist Gerd
Scherm im fränkischen Zentrum, etwa im Cadolzburger Ars Vivendi
Verlag, nicht präsent? Eine erste Antwort könnte sein, kleine
Verlage können sich Autoren wie ihn im Grunde nicht leisten: gut
zwar, aber eben nicht umtriebig und bekannt genug, keine
„Szenegestalt“, die mittlere Verkaufserfolge verspricht, sondern
eher zurückgezogen in Binzwangen, einem winzigen Dorf bei Rothenburg
ob der Tauber lebt. So einer muss natürlich entweder bekannt gemacht
werden, und dazu braucht es die Kraft eines großen, angesehenen
Verlages, oder er bleibt in einer Region, was er ist.
Scherm
war lange Zeit eher als eine Zwischengestalt bekannt, Schriftsteller
und bildender Künstler. Projekt-Assistent des ZERO-Künstlers Otto
Piene, Kreativdirektor für die Rosenthal AG in Selb und außerdem
noch verliebt in künstlerisch-bibliophile Eigendrucke seiner
Gedichte, die im Wesentlichen auch eher Bücherliebhaber als
Literaturkenner anziehen. Auch an der Universität ist Gerd Scherm
tätig, etwa als Gastdozent an der Freien Universität
Berlin.
Wollte man einen Bogen um sein literarisches Schaffen
schlagen, wäre vielleicht der Hinweis auf den Wahlspruch der Fürther
Freimaurerloge - Wahrheit und Freundschaft - nicht unangebracht.
Wahrheit und das Bemühen um „allerletzte Wahrheiten“ jedenfalls sind
der immer wieder eingestandene Beweggrund seiner Bücher, und zwar
auch dann, wenn er souverän biblische Geschichte umschreibt (im
„Nomadengott“) oder im „Brevier der allerletzten Wahrheiten“
erklärt, wie das mit den Freimaurerlogen wirklich ist. Da ist dann
Moses kein gottgefälliger Völkerführer, sondern ein magerer
Stubenhocker. Die Schar, die aus Ägypten auszieht, ist kein
Riesenvolk, sondern eine kleine Karawane ängstlicher Handwerker und
Geschäftsleute, und die Bundeslade ein 30 mal 30 Zentimeter großer
Kasten mit Inhalt - einer Katze.
Hinter all dem steht nun
allerdings nicht nur landläufige Witz- oder Fabulierlust des
üblichen Zuschnitts, sondern - gut bemerkbar und auch angenehm
qualitätsbestimmend - intellektueller Tiefgang, Studium der
Mythologie, der Religionsgeschichte und Ritualistik sowie schlicht
auch bemerkenswert große Belesenheit! Scherm hat sich zudem mit
einigen Feldern am Rande des heute politisch und rational
„Korrekten“ befasst. Er ist nicht nur ein wichtiger und
einflussreicher Logenangehöriger in Deutschland, sondern auch
Schamanismusforscher und Mitglied der „Foundation for shamanic
Studies“ in Mill Valley in Kalifornien, die sich insbesondere um
Indianerschamanismus verdient gemacht hat.
Geheimnisvolle
Riten
Die Werke Scherms aufzuzählen, würde zu weit
führen. Sein Opus ist umfangreich, aber auch sehr disparat. Sicher
ist, dass man in Zukunft von ihm hören wird, denn er ist ja nun
„entdeckt“ und für die nächsten drei Jahre mit Zusagen des
Heyne-Verlages ausgelastet. Er liegt außerdem im Trend, seine
Mischung aus Fantasy, Religion und Verantwortung für die Natur ist
der geheime Kult der jungen Generation. Sein Hang zu
schamanistischen Riten (auch um sein Haus stehen einige
Zauberzeichen) wirkt eher geheimnisvoll anziehend als
irritierend.
Vor wenigen Tagen erhielt Scherm nun auch das
Stipendium als Turmschreiber auf Burg Abenberg 2007. Dort will er,
passend zum Ambiente, an einem Mittelalter-Roman arbeiten. Und wenn
man einmal nachsieht, was von heutiger „Literatur aus Franken“
bleibt, so wird es hoffentlich auch das eine oder andere Buch von
Gerd Scherm sein.
REINHARD KNODT
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