Das „Dan Brown-Syndrom“: Freimaurerei im Umfeld postmoderner Fantasy-Welten und Verschwörungsvorstellungen

 

Vortrag von Gerd Scherm für die 31. Arbeitstagung der Forschungsloge „Quatuor Coronati“, 10. und 11. März 2007 in Darmstadt

 

 

 

Im Zeitalter des allgemeinen „Outings“, in dem anscheinend jede und jeder in unterschiedlichen Fernsehformaten sein Innerstes vor dem Publikum ausbreitet, scheint Diskretion ein Relikt aus längst vergangenen Epochen zu sein. Und wenn gar jemand ein „unsagbares Geheimnis“ für sich in Anspruch nimmt, zieht er nicht nur Neugier, sondern auch wilde Spekulationen auf sich.

Schon seit Gründung der ersten Großloge von London 1717 ist die Freimaurerei Geheimnis umwittert und es kursierten schon in der Frühzeit der Vereinigung sog. Verräterschriften. Dass bei diesen pseudoaufklärerischen Enthüllungen meist kommerzielle Interessen im Vordergrund standen, wird spätestens bei Antoine Jogand-Pages klar, der unter dem Namen Leo Taxil zum Paradebeispiel antimasonischer Literatur wurde und einen ganzen Redaktionsstab beschäftigte, um groteske Rituale und angebliche Geheimnisse der Freimaurer zu „offenbaren“.

Ein echter „Überzeugungstäter“ war dagegen Erich Ludendorff, der gemeinsam mit seiner eifrigen Gattin Mathilde gegen die Freimaurer zu Felde zog und sie zu einem Teil einer überstaatlichen Verschwörung machte, die zusammen mit dem Jesuitenorden, dem Judentum und der Kommunistischen Internationale das deutsche Reich demütigen und knechten wollte. Wenn auch die abstrusen Phantasmen des Ehepaars Ludendorff selbst den nationalsozialistischen Kampfgenossen zu abartig erschienen und Alfred Rosenberg vermutete, dass Erich Ludendorff wohl psychotisch geworden sei, griffen die Nazis dessen Vorwürfe gerne auf. Die Anti-Freimaurer-Kampagne im Dritten Reich wirkt in Deutschland bis heute nach und ist die Ursache einer Vielzahl von Vorurteilen und Mythen, denen wir auch heute noch ständig begegnen.

 

 

Betrachten wir zunächst die Felder, auf denen wir heute mit Verschwörungstheorien über die Freimaurer konfrontiert werden:

Öffentliche Veranstaltungen, die Literatur, das Fernsehen, Spielfilme und das Internet.

In dieser Reihenfolge möchte ich die einzelnen Bereiche auch betrachten.

 

 

Öffentlichkeitsveranstaltungen

 

Die „Top 3“ der Vorwürfe aus dem Publikum bei jeder Öffentlichkeitsveranstaltung zum Thema „Freimaurerei“ sind:

  1. Die Fama, dass man sich nach zweimaliger Hilfe durch die Brüder in der dritten Notsituation erschießen muss
  2. Die amerikanische Ein-Dollar-Banknote, deren Gestaltung wechselweise den Freimaurern und / oder den Illuminaten zugeschrieben wird.
  3. Die wirtschaftlich-politische Weltverschwörung

 

Während der „Ein-Dollar-Mythos“ verhältnismäßig leicht zu entkräften ist, fällt dies bei den anderen beiden Punkten wesentlich schwerer. In jeder Stadt weiß jemand aus dem Publikum von einem Geschäftsmann, der nachweislich Mitglied der Loge war und sich umgebracht hat. Sich natürlich „auf Befehl der Loge umbringen musste“, wie man aus gut informierten Kreisen weiß. Selbst der verzweifelte Hinweis, dass jener Bruder auch Mitglied des hiesigen Fußballvereins war, ebenso aktiv im Kirchenchor wirkte und gar für die Mehrheitspartei im Stadtrat saß, kann diese Überzeugung nicht erschüttern. Vermutet der freimaurerische Referent dann, dass die Fußballer vielleicht die todbringende Anweisung gaben oder etwa der Bürgermeister oder gar der Dirigent des Kirchenchores, so wird dieser Verdacht entrüstet als völlig absurd verworfen. Warum sollten die …?

Man frage an dieser Stelle  auf keinen Fall nach, warum dann die Freimaurer den Befehl geben sollten, – es würde die Veranstaltung bis weit nach Mitternacht ziehen.

 

Ähnlich schwierig ist es, den dritten Vorwurf zu entkräften, die wirtschaftlich-politische Weltverschwörung. Selbst der Hinweis, dass es keine Beweise für eine solche gäbe, verfängt nicht. Gerade der Mangel an Beweisen zeige ja, dass da etwas sein muss, gäbe es nichts, so würden ja dafür Beweise existieren.

Jeder Referent sieht sich an diesem Punkt der Diskussion mit dem philosophischen Problem der Nicht-Beweisbarkeit von Nicht-Existentem konfrontiert.

 

Literatur

 

Um es gleich vorweg zu sagen: In Fantasy-Welten spielt die Freimaurerei keine Rolle, sie ist in ihnen nicht existent. Dabei muss man wissen, dass „Fantasy“ ein klar definiertes Genre der Literatur und auch des Films ist und zur großen Kategorie der „Phantastik“ gehört. Die Phantastik, auch nach der Rechtschreibreform hartnäckig mit „Ph“ geschrieben, umfasst ein weites Feld der Literatur: Märchen, Sagen, Mythen, Legenden, Fantasy, Science Fiction, Horror und mehr. Die Autorenschaft in diesem Bereich reicht von E.T.A. Hofmann bis Jules Verne, von Edgar Allan Poe bis Franz Kafka, aber natürlich auch von Michael Ende und seiner „Unendlichen Geschichte“ über J.R.R. Tolkien und seinem „Herr der Ringe“ bis Joanne K. Rowling und ihrem „Harry Potter“.

Unter dem Oberbegriff „Phantastik“ finden wir denn auch wesentlich mehr Anspielungen oder gar Thematisierungen zur Freimaurerei als in der aufs Archaisch-Magische beschränkten „Fantasy“.

 

Eine Keimzelle postmoderner Verschwörungstheorien ist die „Illuminatus-Trilogie“[1] von Robert Shea und Robert Anton Wilson[2], die erstmals 1975 in den USA erschien. Diese vom LSD-Guru Timothy Leary beeinflusste Trilogie ist die sprudelnde Quelle aller literarisch ambitionierten Verschwörungstheoretiker der Neuzeit. Dan Brown hat sich hier ebenso bedient wie Hans-Christian Schmid für seinen Film „23 – Nichts ist so wie es scheint“ aus dem Jahr 1998. Während aber Shea und Wilson belesen und kenntnisreich ein aberwitziges, anarchisches Konglomerat von Kulturgeschichte, Drogenexperimenten und amerikanischer Paranoia servieren, pickten und picken sich die Epigonen vor allem die Paranoia aus dem üppigen Menu. Allerdings verschweigen die meisten wohlweislich den Anteil und Einfluss der verwendeten Drogen bei der Wahrnehmung der diversen Protagonisten.

In seinem Buch „Und die Erde wird beben“ beschreibt Robert Anton Wilson ein sehr drastisches freimaurerisches Initiationsritual, das angeblich in der Nacht auf den 23. Juli 1768 in Neapel stattgefunden hat.[3]

Wilson wollte seinen Lesern ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Autoritäten nahe bringen. Dazu erfand er neben bekannten Verschwörungstheorien selbst einige satirische Verschwörungen und verbreitete sie später auch über das Internet.

Während Wilson eine größere Bewusstheit anstrebte und die Relativität von Wahrheit thematisierte, verfolgen andere Autoren in Literatur und Film diametrale Intentionen und versuchen ihre Fiktionen dem Publikum als Wahrheiten zu verkaufen.

 

Das „Dan Brown-Syndrom“ – Versuch einer Definition

 

Soziologisch ist ein Syndrom eine Gruppe von Faktoren, deren gemeinsames Auftreten einen bestimmten Zusammenhang oder Zustand anzeigt.

Welche Faktoren sind nun im Zusammenhang mit dem amerikanischen Autor Dan Brown auffällig bzw. relevant?

Seine Thriller und die seiner Nachahmer weisen stets das gleiche Strickmuster auf: Uralte Geheimnisse werden von einer ebenso alten Verschwörergruppe mit allen Mitteln bewahrt und verteidigt. Dabei zeigen brutale Morde in der Gegenwart, dass diese Gruppe immer noch existiert, immensen politischen und wirtschaftlichen Einfluss hat und äußerst gewalttätig ihre Interessen verteidigt. Jeder, der ihnen und ihrem Geheimnis zu Nahe kommt, wird beseitigt.

Natürlich passen die Vorurteile gegenüber den Freimaurern zu hundert Prozent in dieses Muster.

 

Doch zunächst zu Dan Brown, Jahrgang 1964. Er versuchte sich zuerst als Liedermacher, bevor er sich entschied, Schriftsteller zu werden. Allerdings nahm er eine Stelle als Englischlehrer an, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Sein erster, schmaler Band erschien 1995 und hieß „187 Männer, um die Sie einen Bogen machen sollten: Ein Überlebens-Handbuch für die in Liebesdingen hoffnungslos ernüchterte Frau“ und kam über eine kleine Erstauflage nicht hinaus. Dennoch kündigte Dan Brown seinen Lehrerjob und gab 1998 sein Thriller-Debut mit dem Buch „Diabolus“, ebenfalls nur mit mäßigem Erfolg, ebenso wie der Folgeband „Illuminati“. Erst 2003 gelang ihm mit „Sakrileg“, Originaltitel „The Da Vinci Code“, der Durchbruch.

 

Dan Brown schöpft bei seinem Buch „Illuminati“ vor allem hemmungslos aus den einschlägigen Werken von Robert Anton Wilson, die Freimaurer spielen darin lediglich die Rolle ahnungsloser Helfer: „Die Freimaurer fielen ihrer eigenen Wohltätigkeit zum Opfer. Nachdem sie im achtzehnten Jahrhundert  die flüchtigen Wissenschaftler bei sich aufgenommen hatten, wurden sie unwissentlich zu  Strohmännern für die Illuminati. Die Illuminati stiegen in ihren Rängen auf und übernahmen nach und nach die einflussreichsten Positionen in den Logen. Unauffällig errichteten sie verborgen unter dem Deckmantel der Freimaurer ihre alte wissenschaftliche Bruderschaft – eine Geheimgesellschaft innerhalb einer Geheimgesellschaft.“[4]

 

Bei „Sakrileg“ greift Dan Brown auf das Buch „Der heilige Gral und seine Erben“ von Baigent, Leigh und Lincoln zurück.[5]

Das Autorenteam verklagte Brown vor einem Londoner Gericht wegen Plagiats, die Klage wurde aber 2006 mit der Begründung abgewiesen, das in beiden Büchern verwendete Material sei seit langem allgemein verfügbar und Vermutungen und Spekulationen unterlägen nicht dem Schutz des Copyrights.

In „Sakrileg“ behauptet Dan Brown, dass es eine Blutlinie gibt, die direkt auf Jesus Christus und Maria Magdalena zurückgehe und dass diese von diversen Geheimbünden, unter anderen den Freimaurern, geschützt würde.

 

Dan Browns Werke kommen literarisch in einem eher schlichten Gewand daher. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt über „Illuminati“: „Ein am Reißbrett entworfener und dortselbst ziemlich hölzern abgearbeiteter Parforce-Ritt“[6] und die Süddeutsche Zeitung meint zu „Sakrileg“, literarische Fertigkeiten seien „in diesem Roman nur rudimentär zu erkennen, von Charakterstudien und Problemen der Dialogführung lässt der Autor sich nicht belasten.“[7]

Ungeachtet der literarischen und inhaltlichen Schwächen wurde Sakrileg bisher in 44 Sprachen übersetzt und weltweit rund fünfzig Millionen Mal verkauft (Stand: Mai 2006); im Mai 2006 kam die Verfilmung des Werkes mit Tom Hanks in der Rolle von Robert Langdon weltweit in die Kinos.

 

Der nächste Thriller von Dan Brown soll sich unter dem Titel The Solomon Key“ („Der Salomonische Schlüssel“) den Freimaurern und ihrem Einfluss auf die amerikanische Politik widmen. Brown sagt selbst über sein neues Buch:

„Der neue Roman beschäftigt sich mit der verborgenen Geschichte unserer amerikanischen Bundeshauptstadt.“

Geplant war die Veröffentlichung für Herbst 2006, das Buch ist bis heute, Anfang März 2007, immer noch nicht erschienen.

Was aber den Buchhandel nicht davon abhält, für dieses Buch und die ebenfalls bereits angekündigte Sekundärliteratur Bestellungen entgegen zu nehmen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Phänomen, dass zu einem noch nicht erschienen Buch bereits ein halbes Dutzend Bücher bereitstehen, die darauf warten, auf den Markt geworfen zu werden, um von der „Entschlüsselung“ der „Entschlüsselung“ zu profitieren, zum Beispiel:

„Das Geheimnis des Solomon Key. Dan Browns neuer Bestseller entschlüsselt“
von David A. Shugarts

 „Solomon Key entschlüsselt. Dan Browns Bestseller von A – Z“
von Simon Cox

“The Guide to Dan Brown's the Solomon Key: The Essential Primer”

von Greg Taylor

„Das Vermächtnis der Freimaurer. Dan Browns ‚The Solomon Key’ entschlüsselt“ von Marc Hillefeld

“The Key to Solomon's Key: Secrets of Magic and Masonry”
von Lon Milo DuQuette

 

Fernsehen

 

Bei den Verkaufszahlen, die ein Dan Brown erreicht, nimmt es nicht wunder, wenn das Privatfernsehen sich auf seine Themen stürzt. So greifen Fernsehsendungen wie “Galileo” auf “Pro 7” oder die Pseudo-Dokumentationen des “Mystery Chanel” der BBC die Thesen des Autors auf, Teams reisen zu Originalschauplätzen und durchforsten die Archive des Vatikan. Alles dramatisch und kameratechnisch spektakulär in Szene gesetzt, um dann zu dem Schluss zu kommen: Für alles gibt es ganz einfache, oft banale Erklärungen und das Fazit könnte von Shakespeare sein – viel Lärm um nichts.

Nichts desto trotz werden diese Sendungen in einer Art Endlosschleife auf allen zu den Medienimperien gehörenden Sendern wiederholt und ständig neue Varianten produziert.

Da wird dann reißerisch angekündigt, man wolle nun endlich das Geheimnis der Ein-Dollar-Note enthüllen und hinter die verschlossenen Tempeltore der Freimaurer schauen. Das Ergebnis ist dann erstaunlich sachlich und nüchtern: Der Dollarschein entpuppt sich als Dokument der US-amerikanischen Geschichte und nicht als verstecktes Zeichen der Illuminaten. Die Freimaurer sind hinter den Tempeltoren weder Satanisten noch Weltverschwörer, sondern Humanisten, die trotz allem und immer noch an das Gute im Menschen glauben. Und so wird aus dem “Wolf im Schafspelz” ganz unspektakulär ein harmloses „Schaf im Wolfspelz“, dessen Gefährlichkeit weit hinter dem Image in Literatur und Medien zurückbleibt.

 

Spielfilme

 

Welch große Wirkung Spielfilme in der öffentlichen Meinung haben, konnte ich als Mitglied der FAQ-Redaktion der Webseiten der Vereinigten Großlogen von Deutschland erfahren. Über den Fragemodus der FAQ-Seiten – FAQ: Frequently Asked Questions, also „häufig gestellte Fragen“ – lässt sich gut ablesen, welche Vorstellungen, besser Vorurteile, gerade die Öffentlichkeit am stärksten bewegen.

Starke Ausschläge auf diesem Wahrnehmungs-Seismographen hinterließen die

Spielfilme „23 – Nichts ist so wie es scheint“, „Anatomie 1 und 2“ und „From Hell“.

Da ich einige Jahre bei den FAQ für die Bereiche „Mystik, Mysteriöses und Absurdes“ zuständig war, konnte ich die Wirkung dieser Filme unmittelbar verfolgen. Kurz zu den Filmen im Einzelnen, weil sie zu einer Flut von Emails an die Redaktion führten.

 

  1. „23 – Nichts ist so wie es scheint“, 1998

Handlung: In Deutschland in den 1980er Jahren – zur Zeit der Friedensbewegung, der Anti-Atomkraft-Demonstrationen und der letzten Konfrontationen des Kalten Krieges – findet der 19-jährige Karl Koch die Welt um sich herum bedrohlich und in Unordnung. Inspiriert von der fiktiven Romanfigur Hagbard Celine, übrigens ein Geschöpf von Robert Anton Wilson, macht er sich auf die Suche nach den Hintergründen politischer und wirtschaftlicher Macht und entdeckt Zeichen, wie etwa die 23, die ihn an eine weltweite Verschwörung glauben lassen. Bei einem Treffen mit Hackern lernt er den Schüler David kennen. David und Karl gelingt es, das damals erst entstehende globale Datennetz auszutricksen. Im Glauben an die Gerechtigkeit werden sie zu Spionen für den KGB. Karl, der oft mehrere Tage ohne Schlaf hintereinander im Kokainrausch vor dem Rechner sitzt, leidet unter immer stärkeren Wahnvorstellungen, und die Grenzen zwischen Tag und Nacht, Traum und Realität verschwimmen. Die „Illuminatenzahl 23“ wird zum alles beherrschenden Element.

Bis heute, im Frühjahr 2007, haben wir immer noch Anfragen, welche Bedeutung die Zahl 23 in der Freimaurerei hat.

 

  1. „Anatomie“ von 2000 bzw. die Fortsetzung „Anatomie 2“ von 2003

„Anatomie“ mit Franka Potente und Benno Fürmann war ein überaus erfolgreicher Film und wurde beim Deutschen Filmpreis in der Kategorie Publikumspreis: „Deutscher Kinofilm des Jahres 2000“.

Der Film spielt an der Universität Heidelberg, wo eine uralte Geheimloge von Ärzten und Studenten, die „Antihippokraten“, ihr Unwesen treibt und Menschen bei lebendigem Leib seziert. Der Großmeister dieser Loge hat schon im Dritten Reich mit Kriegsgefangenen grausame medizinische Experimente durchgeführt.

Gezeigt werden auch Rituale in freimaurerischer Bekleidung mit Schurz und Handschuhen und entsprechender freimaurerischer Tempelausstattung.

Die Fortsetzung des Films verlagert mit den gleichen Protagonisten den Schauplatz von Heidelberg nach Berlin.

Bereits vor dem Kinostart versuchte die VGLvD durch eine Abmahnung den Film zu verhindern. Da die Macher es jedoch vermieden hatten, den Begriff „Freimaurer“ im Film zu verwenden, wurde argumentiert, dass „Loge“ nicht unbedingt mit „Freimaurern“ gleichzusetzen ist. Außerdem wurde  die „Aktivlegitimation“ (Klagebefugnis) der VGLvD bestritten, da sie nicht alle „freimaurerischen“ Organisationen vertrete.

Zum Glück für die deutsche Freimaurerei blieb die Sache außergerichtlich, sodass keine Schadenersatz- und Kostenerstattungsansprüche gegeben waren bzw. geltend gemacht werden konnten. Die gerade in diesem Fall gemachten Erfahrungen haben uns sehr vorsichtig werden lassen, soweit es sich um zivilrechtlich geprägte Fälle handelt. Und strafrechtlich dürfte ein Film kaum Ansatzpunkte bieten, da man für einen solchen immer die Freiheit der Kunst gemäß Grundgesetz Artikel 5 Absatz 3 in Anspruch nehmen kann.

 

  1. „From Hell“ von 2001

Dieser Film ist eine weitere Variante des „Jack the Ripper“-Motivs.

Polizeiinspektor Frederick Abberline (gespielt von Johnny Depp) lebt am Ende des 19. Jahrhunderts in London. Er verlor seine Ehefrau und sein Kind; seitdem ist er drogenabhängig. Abberline untersucht Morde an Prostituierten, die Jack the Ripper beging. Eine Verschwörung der Freimaurer behindert die Ermittlungen. Abberline findet trotzdem heraus, dass hinter den Morden der Adelige Sir William Gull steht. Sir William Gull ist ein Arzt der königlichen Familie, er wollte die Existenz eines unehelichen Kindes des Thronfolgers vertuschen.

Sir William Gull gehört einer Freimaurerloge an, die Freimaurer unterziehen ihn als Strafe für seine Taten einer primitiven Form der Lobotomie, d.h. sie machen ihn durch einen chirurgischen Eingriff im Gehirn zu einem stammelnden Idioten.

Auch in diesem Film schwelgt die Kamera in Bildern von Tempelarbeiten in voller maurerischer Bekleidung und in Nahaufnahmen von freimaurerischen Symbolen.

Dieser Film löste sehr viele Anfragen an die FAQ-Redaktion aus, in denen wir gebeten wurden, ausführlich Stellung zu nehmen, „ob a) Jack the Ripper wirklich Freimaurer war und b) ob es immer noch üblich ist, bei Freimaurern, die sich etwas zu schulden kommen lassen, Eingriffe im Gehirn vorzunehmen.“

Natürlich verbietet es die Höflichkeit, nach dem Gehirn der Fragesteller zu fragen.

           

Womit ich beim letzten Punkt meiner Ausführungen angelangt bin, dem

Internet

 

Es gibt eine unübersehbare Vielzahl antimasonischer Webseiten, denen unterschiedlichste Motive zu Grunde liegen und deren Betreiber aus den unterschiedlichsten Lagern kommen – rechtsradikale in der Tradition von Ludendorff, Paranoiker, persönlich Enttäuschte, verquere Mystiker, radikale Islamisten, christliche Sektierer und andere mehr. Dies wäre das Thema für eine umfangreiche Studie. Ich möchte mich an dieser Stelle auf einen einzigen Punkt im weltweiten Netz konzentrieren: Die FAQ-Seiten der VGLvD, denn diese sind die virtuelle Schnittstelle zwischen der Öffentlichkeit und der offiziellen Freimaurerei im Internet, die jede Woche mehrere tausend Zugriffe zu verzeichnen hat.

Br. Jost Schaper und ich haben die FAQ 1997 eingerichtet, wobei wir von Anfang an nicht ausgedachte, imaginäre selbst gestellte Fragen beantwortet haben, sondern nur echte Fragen von Internetnutzern. Im Lauf der Jahre wuchs daraus eine umfangreiche Redaktion und inzwischen haben wir mehr als tausend Fragen beantwortet.

Eine Fundgrube ist dabei die monatliche Logdatei des FAQ-Suchmoduls, die aufzeigt, nach welchen Begriffen gesucht wird. Neben „normalen“ Fragen wie Aufnahmebedingungen und Höhe des Mitgliedsbeitrags tauchen hier Monat für Monat Begriffe aus Verschwörungsvorstellungen auf, wobei sich aktuelle Bücher oder Filme sofort auf die Häufigkeit der entsprechenden Suchbegriffe auswirken. Hier Beispiele aus den Monaten Januar und Februar 2007:

Illuminaten, die Zahl 23, Jack the Ripper, Luzifer, Opfer, P2 – Propaganda due, Satanismus, Strafen, Weltherrschaft, Antichrist, Area 51, Außerirdische, Baphomet, Aleister Crowley, Saturnalien, Leonardo da Vinci, Selbstmord, Weltregierung, Barschel, DDR-Fahne, Dan Brown, bis hin zu formulierten Fragen wie „Ist die Freimaurerei unterwandert?“ und „War Papst Johannes Paul II. Freimaurer?“

Zwei originale Email-Anfragen möchte ich zum Abschluss zur Gänze zitieren, um einen Eindruck zu geben:

Anfrage 1:

Mein Urgroßvater war ein FM-Bruder. Er soll laut seiner Frau eine schwarze Kugel erhalten haben, die bedeute, dass er geopfert würde. Am nächsten Tag wurde er tot aufgefunden und war offenbar auf zwei Treppenstufen zu Tode gestürzt. Sein Tod (11.02.1928) löste eine Kette von weiteren Ereignissen aus.
Nun bin ich, als die Älteste in der 3. Generation, vor die Aufgabe gestellt, Licht in die Geschichte zu bringen.

 

Anfrage 2:

  1. Sind sie ein Freimaurer?
  2. Wie oft opfern Sie pro Woche?
  3. Glauben sie an Bestien, an den Teufel?
  4. Wo kann man ihre schwarzen Messen besuchen?


 

 

 



[1] Robert Shea und Robert Anton Wilson „Illuminatus!“, Trilogie, „Das Auge der Pyramide“, Reinbek 1980, „Der Goldene Apfel“, Reinbek 1981, „Leviathan“, Reinbek 1981.

[2] Robert Anton Wilson, 18.1.1932 bis 11.1.2007, amerikanischer Autor, Philosoph und Anarchist.

[3] Robert Anton Wilson „Und die Erde wird beben“, Reinbek 1989, S. 315 ff.).

[4] Dan Brown „Illuminati“, Bergisch Gladbach 2003, S. 60.

[5] Baigent, Leigh und Lincoln „Der heilige Gral und seine Erben“, Bergisch Gladbach 1984.

[6] 3 Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Amerikas neuester Bestseller – Sein Name ist Brown, Dan Brown“, von Hannes Hintermeier, 20. Januar 2004.

[7] Süddeutsche Zeitung: „Abschied von Europa – Der erste Rumsfeld-Roman: Dan Browns Thriller ‚Sakrileg‘“, von Thomas Steinfeld, 26. Februar 2004.