Dialog mit den Geheimnissen
Gerd Scherm und sechs weitere Künstler laden zu Kunst-Begegnungen im Schloß Burgfarrnbach ein

Auch nach seinem Auszug nach Colmberg bleibt Gerd Scherm seiner Heimatstadt verbunden. Am deutlichsten dokumentieren das die alljährlichen Kunst-Begegnungen, die Scherm jetzt bereits zum achten Mal organisiert hat. Erneut ist ihm eine stimmige Künstlerauswahl gelungen, bei der trotz aller Unterschiede die geistige Verwandtschaft der Beteiligten zu spüren ist.

Stimmig ist auch der Ort: Helmut Richter nahm die früher am Logenhaus stattfindenden Kunst-Begegnungen im vergangenen Jahr im Schloß Burgfarrnbach auf. Vor allem der Schloß-Innenhof bietet ein stilles Refugium für plastische Kunstwerke, das zur Begegnung geradezu einlädt.

War im letzten Jahr alles aus Metall, so ist diesmal alles aus Holz, was draußen in der grünen Idylle gezeigt wird. Imposantestes Holzwerk ist ein großes Tor, das der Essener Bildhauer und Land-Art-Künstler Stefan Sakic aus den Eichenholzpflöcken von ausgedienten Weidenzäunen geschaffen hat. Übereinander geschichtet und ineinander verkeilt fügen sich die verwitterten Pfähle zu einem archaisch anmutenden Bauwerk, dessen Bogenform fast exakt die Form der Fensterbögen des Schlosses aufnimmt. Zufall der Kunst, denn geschaffen wurde das Tor für die „Kunstwiese“ in Rosenheim.

Ähnlich wehrhaft mutet auch die „Zelle“ des Südtirolers Paul S. Feichter an, der gemeinsam mit seinem Landsmann Hubert Mair erstmals für italienische Präsenz bei den Kunst-Begegnungen sorgt. Doch Feichters organisch abgerundeter, grob behauener Klotz aus Lerchenholz, in den er viele dicke Eisennägel geschlagen hat, soll nicht Abwehr oder Schmerz ausdrücken. Vielmehr versteht ihn der Künstler als Symbol für Lebensenergie und die Aktivierung der Natur.

Die Kreatur dagegen muß sich noch befreien. „Wachsen“ hat Hubert Mair seinen blau angestrichenen Torso genannt, der mit Schnüren an einen aufgehängten Reifen gefesselt ist. Das erinnert an Leonardo da Vincis berühmte Proportionsfigur, doch ist dieser Torso noch weit von den idealen Maßen des Menschen entfernt. Ein paar Meter weiter steht eine Skulptur aus sechs im gleichen Blau eingefärbten, zylinderförmigen Holzstücken – das formvollendete Gegenüber zum unvollendeten Körper. Oder gleichfalls ein Torso, ein Bruchstück von der Ganzheit?

Von sehr beredtem Symbolgehalt sind die drei Plastiken des Plauener Bildhauers Albrecht Ripp. Auf einen unbearbeiteten Holzblock hat er einen glatten Quader mit einem Schachbrettmuster auf der Oberseite gesetzt. Darauf steht ein Stahlgerüst mit einem grünen Glasstein in der Spitze. „Der Weg zum Licht“ heißt das vielschichtige Werk, das Sinnbild ist für die Entwicklung des Menschen zu einem erleuchteten Wesen.

Religiöse Anklänge

Schon hier klingt Religiöses an, das noch deutlicher in dem aus zwei Holzblöcken gearbeiteten Werk „Tod der Taube“ zum Ausdruck kommt und gänzlich in der Meditationsplastik „Heilige Elisabeth“ – ein längs zersägtes und ausgehöhltes Stück Robinienholz in der Form einer Madonna. Weniger symbolüberfrachtet als die beiden anderen Arbeiten ist dieses Werk fraglos das schönste und in seiner stillen Ausdruckskraft überzeugendste, das Ripp hier präsentiert.

Nicht aus Holz, sondern aus zartem Flies ist ein längliches „Druckbeet“, das Thomas Mohi wie ein Polster auf den Rasen gelegt hat. Das hauchdünne Werk verweist auf die Ausstellung im darüberliegenden Galerieraum, wo zwei „Druckfahnen“ aus Nessel und weitere Holzdrucke auf Papier hängen. Neue Arbeiten zu Mohis Thema der „Erdschichtspiegelungen“ sind das, die dem Gedanken folgen, das erst durch das Verdecken das Wesen des Darunterliegenden zum Vorschein kommt. So läßt die aufgetragene Farbe den Druck oft nur schemenhaft durchscheinen, dafür tritt das, was sichtbar bleibt, umso stärker hervor. Mohi hat damit zu einer archaischen Formensprache gefunden, die noch im kleinsten Ausschnitt wirkt.

In die phantastische, poetische, Welt von Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ entführen die Arbeiten von Gerlinde Smekal. Für die Heilsbronner Künstlerin sind Farben Segmente der Zeit und Mittler von Gefühlen. Deshalb erzählt sie die Erlebnisse des kleinen Prinzen vor allem in Farben, Gegenstände werden nur als Chiffren angedeutet. Drei Objekte aus Eisenplatten verkörpern Härte, Verletzungen und Schutzraum zugleich. Künstlerisch überzeugen die großen, zur Monochromie tendierenden Farbtableaus allerdings mehr als die vielfarbigen verspielt wirkenden Arbeiten.

Weit entfernt von Archaik und Märchen erscheinen Gerd Scherms „Screen Shots“, Computer-Fotografien von den Internetseiten seines Enigma-Projekts „secretXchange“. Dort kann man die Geheimnisse von bekannten und unbekannten Menschen nachlesen, die diese auf Scherms Homepage der Welt offenbaren. Darunter auch die des Erlanger Kulturreferenten Wolf Peter Schnetz oder von Bayerns SPD-Vorsitzender Renate Schmidt (die hier nicht verraten werden). Als „Gewebe subjektiver Chiffren“ versteht Scherm die Antworten. So gesehen hat auch diese „Medienskulptur“ eine archaische, eben „geheimnisvolle“ Komponente. REGINA URBAN

Bis 30. Juni, geöffnet Mo. 8–17 Uhr, Di./Do. 8–16 Uhr, Fr. 8–12 Uhr, So. 10–13 Uhr; Informationen im Internet unter: http://scherm.de/8kb.

   

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