Dialog mit den Geheimnissen
Stimmig ist auch der Ort: Helmut
Richter nahm die früher am Logenhaus
stattfindenden Kunst-Begegnungen
im vergangenen Jahr im Schloß Burgfarrnbach
auf. Vor allem der Schloß-Innenhof
bietet ein stilles Refugium
für plastische Kunstwerke, das zur Begegnung
geradezu einlädt.
War im letzten Jahr alles aus Metall,
so ist diesmal alles aus Holz, was draußen
in der grünen Idylle gezeigt wird.
Imposantestes Holzwerk ist ein großes
Tor, das der Essener Bildhauer und
Land-Art-Künstler Stefan Sakic aus
den Eichenholzpflöcken von ausgedienten
Weidenzäunen geschaffen hat.
Übereinander geschichtet und ineinander
verkeilt fügen sich die verwitterten
Pfähle zu einem archaisch anmutenden
Bauwerk, dessen Bogenform
fast exakt die Form der Fensterbögen
des Schlosses aufnimmt. Zufall der
Kunst, denn geschaffen wurde das Tor
für die Kunstwiese in Rosenheim.
Ähnlich wehrhaft mutet auch die
Zelle des Südtirolers Paul S. Feichter
an, der gemeinsam mit seinem
Landsmann Hubert Mair erstmals für
italienische Präsenz bei den Kunst-Begegnungen
sorgt. Doch Feichters organisch
abgerundeter, grob behauener
Klotz aus Lerchenholz, in den er viele
dicke Eisennägel geschlagen hat, soll
nicht Abwehr oder Schmerz ausdrücken.
Vielmehr versteht ihn der Künstler
als Symbol für Lebensenergie und
die Aktivierung der Natur.
Die Kreatur dagegen muß sich noch
befreien. Wachsen hat Hubert Mair
seinen blau angestrichenen Torso genannt,
der mit Schnüren an einen aufgehängten
Reifen gefesselt ist. Das erinnert
an Leonardo da Vincis berühmte
Proportionsfigur, doch ist dieser
Torso noch weit von den idealen
Maßen des Menschen entfernt. Ein
paar Meter weiter steht eine Skulptur
aus sechs im gleichen Blau eingefärbten,
zylinderförmigen Holzstücken
das formvollendete Gegenüber zum
unvollendeten Körper. Oder gleichfalls
ein Torso, ein Bruchstück von der
Ganzheit?
Von sehr beredtem Symbolgehalt
sind die drei Plastiken des Plauener
Bildhauers Albrecht Ripp. Auf einen
unbearbeiteten Holzblock hat er einen
glatten Quader mit einem Schachbrettmuster
auf der Oberseite gesetzt.
Darauf steht ein Stahlgerüst mit einem
grünen Glasstein in der Spitze. Der
Weg zum Licht heißt das vielschichtige
Werk, das Sinnbild ist für die Entwicklung
des Menschen zu einem erleuchteten
Wesen.
Schon hier klingt Religiöses an, das
noch deutlicher in dem aus zwei Holzblöcken
gearbeiteten Werk Tod der
Taube zum Ausdruck kommt und
gänzlich in der Meditationsplastik
Heilige Elisabeth ein längs zersägtes
und ausgehöhltes Stück Robinienholz
in der Form einer Madonna.
Weniger symbolüberfrachtet als die
beiden anderen Arbeiten ist dieses
Werk fraglos das schönste und in seiner
stillen Ausdruckskraft überzeugendste,
das Ripp hier präsentiert.
Nicht aus Holz, sondern aus zartem
Flies ist ein längliches Druckbeet,
das Thomas Mohi wie ein Polster auf
den Rasen gelegt hat. Das hauchdünne
Werk verweist auf die Ausstellung im
darüberliegenden Galerieraum, wo
zwei Druckfahnen aus Nessel und
weitere Holzdrucke auf Papier hängen.
Neue Arbeiten zu Mohis Thema der
Erdschichtspiegelungen sind das,
die dem Gedanken folgen, das erst
durch das Verdecken das Wesen des
Darunterliegenden zum Vorschein
kommt. So läßt die aufgetragene Farbe
den Druck oft nur schemenhaft durchscheinen,
dafür tritt das, was sichtbar
bleibt, umso stärker hervor. Mohi hat
damit zu einer archaischen Formensprache
gefunden, die noch im kleinsten
Ausschnitt wirkt.
In die phantastische, poetische, Welt
von Saint-Exupérys Der kleine
Prinz entführen die Arbeiten von
Gerlinde Smekal. Für die Heilsbronner
Künstlerin sind Farben Segmente der
Zeit und Mittler von Gefühlen. Deshalb
erzählt sie die Erlebnisse des kleinen
Prinzen vor allem in Farben, Gegenstände
werden nur als Chiffren angedeutet.
Drei Objekte aus Eisenplatten
verkörpern Härte, Verletzungen
und Schutzraum zugleich. Künstlerisch
überzeugen die großen, zur Monochromie
tendierenden Farbtableaus
allerdings mehr als die vielfarbigen
verspielt wirkenden Arbeiten.
Weit entfernt von Archaik und Märchen
erscheinen Gerd Scherms
Screen Shots, Computer-Fotografien
von den Internetseiten seines
Enigma-Projekts secretXchange.
Dort kann man die Geheimnisse von
bekannten und unbekannten Menschen
nachlesen, die diese auf Scherms
Homepage der Welt offenbaren. Darunter
auch die des Erlanger Kulturreferenten
Wolf Peter Schnetz oder von
Bayerns SPD-Vorsitzender Renate
Schmidt (die hier nicht verraten werden).
Als Gewebe subjektiver Chiffren
versteht Scherm die Antworten.
So gesehen hat auch diese Medienskulptur
eine archaische, eben geheimnisvolle
Komponente.
REGINA |
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