Fürther Nachrichten vom 8. Juni 2001

Kennt jemand einen,
der jemanden kennt?
Gerd Scherms Fürther Kunst-Begegnungen gehen ins zehnte Jahr

Die 10. Fürther Kunst-Begegnungen beginnen am Wochenende. In Schloss Burgfarrnbach und seinem Innenhof sind ab Sonntagnachmittag – die Vernissage beginnt um 15 Uhr – bis 8. Juli Werke von Boris Engelbrecht (Hamburg), Johannes L. M. Koch (Niederlindach), Verena Mayer-Tasch (Bedizzano), Kim Nordmann (Hamburg), Fridrich Popp (Nürnberg) sowie Christine Regenberg (Fürth und Berlin) zu sehen. Leiter des Projekts, das das Kulturreferat und die Stiftung „Natur-Kultur-Struktur“ des Bezirks Mittelfranken fördern, sind seit der ersten „Begegnung“ 1992 Gerd Scherm und Friederike Gollwitzer. Scherm, den die FN-Leser auch als Mitstreiter in unserer literarischen Reihe „Fürther Freiheit“ kennen, wurde in Fürth geboren. Er ist Autor und Multimedia-Künstler; gemeinsam mit Ehefrau Gollwitzer betreibt er in Binzwangen bei Colmberg den „Kulturgut-Raum für Kunst“. Scherm im FN-Gespräch über zehn „Begegnungs“-Jahre und die Tücken hiesiger Kulturpolitik.

Zehn Jahre Fürther Kunst-Begegnungen – wie würden Sie die typische Handschrift dieses Projekts beschreiben?

Scherm: Zwei Dinge sind typisch, die Vielfalt und die Begegnungen. Beides resultiert sehr stark aus persönlichen Kontakten. Das heißt, hier kommen Künstler zusammen, die ihrerseits einen weiteren für das kommende Jahr empfehlen, der wiederum einen kennt, den er weiterempfiehlt. Aber wir kriegen natürlich auch Bewerbungen auf den Tisch. Da wir die vergangenen beiden Jahre unserer Kunst-Begegnungen ausführlich im Internet dokumentiert haben, melden sich verstärkt internationale Künstler bei uns an, die gerne mitmachen wollen.

Sind es eher die jungen Talente, die Sie heranholen wollen, oder bereits arrivierte Künstler?

Scherm: Wir versuchen immer die Mischung Newcomer und Arrivierte, regional und international Bekannte.

Wie haben sich in den zehn Jahren die Besucherzahlen entwickelt? Können Sie zufrieden sein?

Scherm: Im Logenhaus haben wir angefangen, da waren es 500 Leute. Im Lauf der Jahre steigerte sich das auf etwa 1200, und seitdem wir im Schloss Burgfarrnbach ausstellen, kommen jährlich zwischen 1200 und 1800. Das ist eine sehr gute Zahl, wobei man aber bedenken muss, dass auch Zufallsbesucher auf die Ausstellung stoßen. Wenn im Schloss zum Beispiel der Ball der Jungen Union stattfindet, dann nutzen die das natürlich und schauen sich das an, klar.

Wie kam es eigentlich zum Umzug vom Logenhaus zum Schloss?

Scherm: Das lag daran, dass Innenausstellungen im Logenhaus nur im Clubraum möglich waren, wir das aber nur an Wochenenden machen durften, außerdem mussten wir alles selbst betreuen und organisieren. Das Schloss hingegen hat geregelte Öffnungszeiten auch unter der Woche und mit Helmut Richter einen erfahrenen und professionellen Mann vor Ort.

Der Start 1992 – warum ausgerechnet im Logenhaus?

Scherm: Dort hatte ich 1991 bereits eine eigene Ausstellung. Daraufhin fragte der Vorstand bei mir an, ob ich nicht im Garten etwas machen möchte. Zu dem Zeitpunkt gab es bereits den Plan eines größeren Künstlerprojektes im Rednitzbereich, und das haben wir dann letztlich im Garten umgesetzt. Nach dem ersten Jahr war der Logenvorstand sehr positiv gestimmt, weil er merkte, dass die Kunst Schwellenängste gegenüber den Freimauern abgebaut hat. Plötzlich kamen Nachbarn, die jahrelang nebenan gewohnt hatten, zum ersten Mal ins Haus.

Verfolgen Sie die Debatte um die städtische Galerie in Fürt.

Scherm: Teilweise ja. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass eine städtische Galerie Fixpunkt in der Stadt sein muss.

Der Trend scheint aber ein anderer zu sein. Gerd Scherm und seine Kunst-Begegnungen gehen nach Burgfarrnbach, Lothar Böhm geht mit artoz-media in die Polizeidirektion und ins Amtsgericht, der Kulturring C geht mit „Zeit“ sogar in Privatwohnungen. Kunst, hat man das Gefühl, kommt verstärkt zu den Leuten. Ist eine städtische Galerie da nicht ein Anachronismus?

Scherm: Das ist ein zweigleisiger Vorgang. Sicher muss die Kunst direkt zu den Leuten gehen. Aber die Stadt braucht ein Zentrum der Bildenden Kunst. Als echter Fürther habe ich das jahrelang als großes Defizit empfunden. Eine städtische Galerie ist unbedingt notwendig. 1970 habe ich zum Beispiel das „Kulturkollektiv“ gegründet mit einem interdisziplinären Ansatz. Aber für die Vorlesungen, Aktionen und Ausstellungen gab es einfach keine anständigen Räume in Fürth. Wenn man bedenkt, dass inzwischen jede Kleinstadt eine städtische Galerie hat, nur Fürth immer noch nicht, ist das schon traurig. Rothenburg hat eine, Dinkelsbühl hat eine, Nördlingen hat eine.

Aber das Geld spielt natürlich auch eine Rolle.

Scherm: Wissen Sie, Geld hat man nie. Meine Erfahrung in Fürth ist, dass die Kultur immer an allerletzter Stelle stand.

Das scheint sich ja offenbar zu ändern.

Scherm: Mag schon sein, aber man hat hier lange nicht begriffen, dass die so genannten sanften Standortfaktoren mindestens so wichtig sind wie eine Müllverbrennungsanlage. Um zu begreifen, was Kultur in Fürth bedeutete, musste man nur bei Herrn Wennings Vorgänger über den Gartenzaun schauen: Gartenzwerge inmitten japanischer Gräser. Da wusste man, woran man ist. Aber ich habe dennoch nie die Zuversicht verloren.

Was gibt Ihnen außer der nahenden Galerie Anlass zur Zuversicht?

Scherm: Ich hatte gestern ein Gespräch mit der Kulturbeauftragten Renate Dix und Herrn Richter. Ergebnis ist, dass es auch in den nächsten fünf Jahren die Kunst-Begegnungen geben wird. Vielleicht ringt man sich bei Gelegenheit auch dazu durch, uns finanziell etwas besser zu unterstützen. Dann könnten wir die Begegnungen auch mit einem international wirklich arrivierten Künstler würzen. Interview: MATTHIAS BOLL

Die Jubiläums-Ausstellung in den Galerieräumen und im Innenhof des Schlosses Burgfarrnbach hat geöffnet: montags von 8 bis 17 Uhr, dienstags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr, freitags von 8 bis 12 Uhr und an Sonntagen von 10 bis 13 Uhr. Vernissage-Start am 10. Juni: 15 Uhr. Informationen im Internet unter www.scherm.de/10kb

 

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