Das „Dan Brown-Syndrom“: Freimaurerei
im Umfeld postmoderner Fantasy-Welten und Verschwörungsvorstellungen
Vortrag von Gerd
Scherm für die 31. Arbeitstagung der Forschungsloge „Quatuor Coronati“, 10. und
11. März 2007 in Darmstadt
Im Zeitalter
des allgemeinen „Outings“, in dem anscheinend jede und jeder in
unterschiedlichen Fernsehformaten sein Innerstes vor dem Publikum ausbreitet,
scheint Diskretion ein Relikt aus längst vergangenen Epochen zu sein. Und wenn
gar jemand ein „unsagbares Geheimnis“ für sich in Anspruch nimmt, zieht er
nicht nur Neugier, sondern auch wilde Spekulationen auf sich.
Schon seit
Gründung der ersten Großloge von London 1717 ist die Freimaurerei Geheimnis
umwittert und es kursierten schon in der Frühzeit der Vereinigung sog. Verräterschriften.
Dass bei diesen pseudoaufklärerischen Enthüllungen meist kommerzielle
Interessen im Vordergrund standen, wird spätestens bei Antoine Jogand-Pages
klar, der unter dem Namen Leo Taxil zum Paradebeispiel antimasonischer
Literatur wurde und einen ganzen Redaktionsstab beschäftigte, um groteske
Rituale und angebliche Geheimnisse der Freimaurer zu „offenbaren“.
Ein echter
„Überzeugungstäter“ war dagegen Erich Ludendorff, der gemeinsam mit seiner
eifrigen Gattin Mathilde gegen die Freimaurer zu Felde zog und sie zu einem Teil
einer überstaatlichen Verschwörung machte, die zusammen mit dem Jesuitenorden,
dem Judentum und der Kommunistischen Internationale das deutsche Reich
demütigen und knechten wollte. Wenn auch die abstrusen Phantasmen des Ehepaars
Ludendorff selbst den nationalsozialistischen Kampfgenossen zu abartig
erschienen und Alfred Rosenberg vermutete, dass Erich Ludendorff wohl
psychotisch geworden sei, griffen die Nazis dessen Vorwürfe gerne auf. Die
Anti-Freimaurer-Kampagne im Dritten Reich wirkt in Deutschland bis heute nach
und ist die Ursache einer Vielzahl von Vorurteilen und Mythen, denen wir auch
heute noch ständig begegnen.
Betrachten wir
zunächst die Felder, auf denen wir heute mit Verschwörungstheorien über die
Freimaurer konfrontiert werden:
Öffentliche
Veranstaltungen, die Literatur, das Fernsehen, Spielfilme und das Internet.
In dieser
Reihenfolge möchte ich die einzelnen Bereiche auch betrachten.
Öffentlichkeitsveranstaltungen
Die „Top 3“ der
Vorwürfe aus dem Publikum bei jeder Öffentlichkeitsveranstaltung zum Thema
„Freimaurerei“ sind:
Während der
„Ein-Dollar-Mythos“ verhältnismäßig leicht zu entkräften ist, fällt dies bei
den anderen beiden Punkten wesentlich schwerer. In jeder Stadt weiß jemand aus
dem Publikum von einem Geschäftsmann, der nachweislich Mitglied der Loge war
und sich umgebracht hat. Sich natürlich „auf Befehl der Loge umbringen musste“,
wie man aus gut informierten Kreisen weiß. Selbst der verzweifelte Hinweis,
dass jener Bruder auch Mitglied des hiesigen Fußballvereins war, ebenso aktiv
im Kirchenchor wirkte und gar für die Mehrheitspartei im Stadtrat saß, kann
diese Überzeugung nicht erschüttern. Vermutet der freimaurerische Referent dann,
dass die Fußballer vielleicht die todbringende Anweisung gaben oder etwa der
Bürgermeister oder gar der Dirigent des Kirchenchores, so wird dieser Verdacht
entrüstet als völlig absurd verworfen. Warum sollten die …?
Man frage an
dieser Stelle auf keinen Fall nach,
warum dann die Freimaurer den Befehl geben sollten, – es würde die
Veranstaltung bis weit nach Mitternacht ziehen.
Ähnlich
schwierig ist es, den dritten Vorwurf zu entkräften, die
wirtschaftlich-politische Weltverschwörung. Selbst der Hinweis, dass es keine
Beweise für eine solche gäbe, verfängt nicht. Gerade der Mangel an Beweisen
zeige ja, dass da etwas sein muss, gäbe es nichts, so würden ja dafür Beweise
existieren.
Jeder Referent
sieht sich an diesem Punkt der Diskussion mit dem philosophischen Problem der Nicht-Beweisbarkeit
von Nicht-Existentem konfrontiert.
Literatur
Um es gleich
vorweg zu sagen: In Fantasy-Welten spielt die Freimaurerei keine Rolle, sie ist
in ihnen nicht existent. Dabei muss man wissen, dass „Fantasy“ ein klar
definiertes Genre der Literatur und auch des Films ist und zur großen Kategorie
der „Phantastik“ gehört. Die Phantastik, auch nach der Rechtschreibreform
hartnäckig mit „Ph“ geschrieben, umfasst ein weites Feld der Literatur:
Märchen, Sagen, Mythen, Legenden, Fantasy, Science Fiction, Horror und mehr. Die
Autorenschaft in diesem Bereich reicht von E.T.A. Hofmann bis Jules Verne, von
Edgar Allan Poe bis Franz Kafka, aber natürlich auch von Michael Ende und
seiner „Unendlichen Geschichte“ über J.R.R. Tolkien und seinem „Herr der Ringe“
bis Joanne K. Rowling und ihrem „Harry Potter“.
Unter dem
Oberbegriff „Phantastik“ finden wir denn auch wesentlich mehr Anspielungen oder
gar Thematisierungen zur Freimaurerei als in der aufs Archaisch-Magische
beschränkten „Fantasy“.
Eine Keimzelle
postmoderner Verschwörungstheorien ist die „Illuminatus-Trilogie“[1]
von Robert Shea und Robert Anton Wilson[2],
die erstmals 1975 in den USA erschien. Diese vom LSD-Guru Timothy Leary beeinflusste
Trilogie ist die sprudelnde Quelle aller literarisch ambitionierten Verschwörungstheoretiker
der Neuzeit. Dan Brown hat sich hier ebenso bedient wie Hans-Christian Schmid
für seinen Film „23 – Nichts ist so wie es scheint“ aus dem Jahr 1998. Während
aber Shea und Wilson belesen und kenntnisreich ein aberwitziges, anarchisches
Konglomerat von Kulturgeschichte, Drogenexperimenten und amerikanischer
Paranoia servieren, pickten und picken sich die Epigonen vor allem die Paranoia
aus dem üppigen Menu. Allerdings verschweigen die meisten wohlweislich den
Anteil und Einfluss der verwendeten Drogen bei der Wahrnehmung der diversen
Protagonisten.
In seinem Buch
„Und die Erde wird beben“ beschreibt Robert Anton Wilson ein sehr drastisches
freimaurerisches Initiationsritual, das angeblich in der Nacht auf den 23. Juli
1768 in Neapel stattgefunden hat.[3]
Wilson wollte
seinen Lesern ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Autoritäten nahe
bringen. Dazu erfand er neben bekannten Verschwörungstheorien selbst einige
satirische Verschwörungen und verbreitete sie später auch über das Internet.
Während Wilson
eine größere Bewusstheit anstrebte und die Relativität von Wahrheit
thematisierte, verfolgen andere Autoren in Literatur und Film diametrale
Intentionen und versuchen ihre Fiktionen dem Publikum als Wahrheiten zu
verkaufen.
Das „Dan Brown-Syndrom“ – Versuch einer
Definition
Soziologisch
ist ein Syndrom eine Gruppe von Faktoren, deren gemeinsames Auftreten einen
bestimmten Zusammenhang oder Zustand anzeigt.
Welche
Faktoren sind nun im Zusammenhang mit dem amerikanischen Autor Dan Brown
auffällig bzw. relevant?
Seine Thriller
und die seiner Nachahmer weisen stets das gleiche Strickmuster auf: Uralte
Geheimnisse werden von einer ebenso alten Verschwörergruppe mit allen Mitteln
bewahrt und verteidigt. Dabei zeigen brutale Morde in der Gegenwart, dass diese
Gruppe immer noch existiert, immensen politischen und wirtschaftlichen Einfluss
hat und äußerst gewalttätig ihre Interessen verteidigt. Jeder, der ihnen und
ihrem Geheimnis zu Nahe kommt, wird beseitigt.
Natürlich
passen die Vorurteile gegenüber den Freimaurern zu hundert Prozent in dieses
Muster.
Doch zunächst
zu Dan Brown, Jahrgang 1964. Er versuchte sich zuerst als Liedermacher, bevor
er sich entschied, Schriftsteller zu werden. Allerdings nahm er eine Stelle als
Englischlehrer an, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Sein erster,
schmaler Band erschien 1995 und hieß „187 Männer, um die Sie einen Bogen machen
sollten: Ein Überlebens-Handbuch für die in Liebesdingen hoffnungslos
ernüchterte Frau“ und kam über eine kleine Erstauflage nicht hinaus. Dennoch
kündigte Dan Brown seinen Lehrerjob und gab 1998 sein Thriller-Debut mit dem
Buch „Diabolus“, ebenfalls nur mit mäßigem Erfolg, ebenso wie der Folgeband
„Illuminati“. Erst 2003 gelang ihm mit „Sakrileg“, Originaltitel „The Da Vinci
Code“, der Durchbruch.
Dan Brown schöpft
bei seinem Buch „Illuminati“ vor allem hemmungslos aus den einschlägigen Werken
von Robert Anton Wilson, die Freimaurer spielen darin lediglich die Rolle
ahnungsloser Helfer: „Die Freimaurer fielen ihrer eigenen Wohltätigkeit zum
Opfer. Nachdem sie im achtzehnten Jahrhundert
die flüchtigen Wissenschaftler bei sich aufgenommen hatten, wurden sie
unwissentlich zu Strohmännern für die
Illuminati. Die Illuminati stiegen in ihren Rängen auf und übernahmen nach und
nach die einflussreichsten Positionen in den Logen. Unauffällig errichteten sie
verborgen unter dem Deckmantel der Freimaurer ihre alte wissenschaftliche
Bruderschaft – eine Geheimgesellschaft innerhalb einer Geheimgesellschaft.“[4]
Bei „Sakrileg“
greift Dan Brown auf das Buch „Der heilige Gral und seine Erben“ von Baigent,
Leigh und Lincoln zurück.[5]
Das
Autorenteam verklagte Brown vor einem Londoner Gericht wegen Plagiats, die
Klage wurde aber 2006 mit der Begründung abgewiesen, das in beiden Büchern
verwendete Material sei seit langem allgemein verfügbar und Vermutungen und
Spekulationen unterlägen nicht dem Schutz des Copyrights.
In „Sakrileg“
behauptet Dan Brown, dass es eine Blutlinie gibt, die direkt auf Jesus Christus
und Maria Magdalena zurückgehe und dass diese von diversen Geheimbünden, unter
anderen den Freimaurern, geschützt würde.
Dan Browns
Werke kommen literarisch in einem eher schlichten Gewand daher. Die Frankfurter
Allgemeine Zeitung schreibt über „Illuminati“: „Ein am Reißbrett entworfener
und dortselbst ziemlich hölzern abgearbeiteter Parforce-Ritt“[6]
und die Süddeutsche Zeitung meint zu „Sakrileg“, literarische Fertigkeiten
seien „in diesem Roman nur rudimentär zu erkennen, von Charakterstudien und
Problemen der Dialogführung lässt der Autor sich nicht belasten.“[7]
Ungeachtet der
literarischen und inhaltlichen Schwächen wurde Sakrileg bisher in 44 Sprachen
übersetzt und weltweit rund fünfzig Millionen Mal verkauft (Stand: Mai 2006); im
Mai 2006 kam die Verfilmung des Werkes mit Tom Hanks in der Rolle von Robert
Langdon weltweit in die Kinos.
Der nächste
Thriller von Dan Brown soll sich unter dem Titel „The Solomon Key“ („Der
Salomonische Schlüssel“) den Freimaurern und ihrem Einfluss auf die
amerikanische Politik widmen. Brown sagt selbst über sein neues Buch:
„Der neue
Roman beschäftigt sich mit der verborgenen Geschichte unserer amerikanischen
Bundeshauptstadt.“
Geplant war
die Veröffentlichung für Herbst 2006, das Buch ist bis heute, Anfang März 2007,
immer noch nicht erschienen.
Was aber den
Buchhandel nicht davon abhält, für dieses Buch und die ebenfalls bereits
angekündigte Sekundärliteratur Bestellungen entgegen zu nehmen.
Interessant
ist in diesem Zusammenhang das Phänomen, dass zu einem noch nicht erschienen
Buch bereits ein halbes Dutzend Bücher bereitstehen, die darauf warten, auf den
Markt geworfen zu werden, um von der „Entschlüsselung“ der „Entschlüsselung“ zu
profitieren, zum Beispiel:
„Das
Geheimnis des Solomon Key. Dan Browns neuer Bestseller entschlüsselt“
von David A. Shugarts
„Solomon Key entschlüsselt. Dan
Browns Bestseller von A – Z“
von Simon Cox
“The Guide to Dan Brown's the Solomon Key: The
Essential Primer”
von Greg Taylor
„Das
Vermächtnis der Freimaurer. Dan Browns ‚The Solomon Key’ entschlüsselt“ von Marc
Hillefeld
“The Key to Solomon's Key: Secrets of Magic and
Masonry”
von Lon Milo DuQuette
Fernsehen
Bei den
Verkaufszahlen, die ein Dan Brown erreicht, nimmt es nicht wunder, wenn das
Privatfernsehen sich auf seine Themen stürzt. So greifen Fernsehsendungen wie
“Galileo” auf “Pro 7” oder die Pseudo-Dokumentationen des “Mystery Chanel” der
BBC die Thesen des Autors auf, Teams reisen zu Originalschauplätzen und
durchforsten die Archive des Vatikan. Alles dramatisch und kameratechnisch
spektakulär in Szene gesetzt, um dann zu dem Schluss zu kommen: Für alles gibt
es ganz einfache, oft banale Erklärungen und das Fazit könnte von Shakespeare
sein – viel Lärm um nichts.
Nichts desto
trotz werden diese Sendungen in einer Art Endlosschleife auf allen zu den
Medienimperien gehörenden Sendern wiederholt und ständig neue Varianten
produziert.
Da wird dann
reißerisch angekündigt, man wolle nun endlich das Geheimnis der Ein-Dollar-Note
enthüllen und hinter die verschlossenen Tempeltore der Freimaurer schauen. Das
Ergebnis ist dann erstaunlich sachlich und nüchtern: Der Dollarschein entpuppt
sich als Dokument der US-amerikanischen Geschichte und nicht als verstecktes
Zeichen der Illuminaten. Die Freimaurer sind hinter den Tempeltoren weder
Satanisten noch Weltverschwörer, sondern Humanisten, die trotz allem und immer
noch an das Gute im Menschen glauben. Und so wird aus dem “Wolf im Schafspelz”
ganz unspektakulär ein harmloses „Schaf im Wolfspelz“, dessen Gefährlichkeit
weit hinter dem Image in Literatur und Medien zurückbleibt.
Spielfilme
Welch große
Wirkung Spielfilme in der öffentlichen Meinung haben, konnte ich als Mitglied
der FAQ-Redaktion der Webseiten der Vereinigten Großlogen von Deutschland
erfahren. Über den Fragemodus der FAQ-Seiten – FAQ: Frequently Asked Questions,
also „häufig gestellte Fragen“ – lässt sich gut ablesen, welche Vorstellungen,
besser Vorurteile, gerade die Öffentlichkeit am stärksten bewegen.
Starke
Ausschläge auf diesem Wahrnehmungs-Seismographen hinterließen die
Spielfilme „23
– Nichts ist so wie es scheint“, „Anatomie 1 und 2“ und „From Hell“.
Da ich einige
Jahre bei den FAQ für die Bereiche „Mystik, Mysteriöses und Absurdes“ zuständig
war, konnte ich die Wirkung dieser Filme unmittelbar verfolgen. Kurz zu den
Filmen im Einzelnen, weil sie zu einer Flut von Emails an die Redaktion
führten.
Handlung:
In Deutschland in den 1980er Jahren – zur Zeit der Friedensbewegung, der
Anti-Atomkraft-Demonstrationen und der letzten Konfrontationen des Kalten
Krieges – findet der 19-jährige Karl Koch die Welt um sich herum bedrohlich und
in Unordnung. Inspiriert von der fiktiven Romanfigur Hagbard Celine, übrigens
ein Geschöpf von Robert Anton Wilson, macht er sich auf die Suche nach den
Hintergründen politischer und wirtschaftlicher Macht und entdeckt Zeichen, wie
etwa die 23, die ihn an eine weltweite Verschwörung glauben lassen. Bei einem
Treffen mit Hackern lernt er den Schüler David kennen. David und Karl gelingt
es, das damals erst entstehende globale Datennetz auszutricksen. Im Glauben an
die Gerechtigkeit werden sie zu Spionen für den KGB. Karl, der oft mehrere Tage
ohne Schlaf hintereinander im Kokainrausch vor dem Rechner sitzt, leidet unter
immer stärkeren Wahnvorstellungen, und die Grenzen zwischen Tag und Nacht,
Traum und Realität verschwimmen. Die „Illuminatenzahl 23“ wird zum alles
beherrschenden Element.
Bis
heute, im Frühjahr 2007, haben wir immer noch Anfragen, welche Bedeutung die
Zahl 23 in der Freimaurerei hat.
„Anatomie“
mit Franka Potente und Benno Fürmann war ein überaus erfolgreicher Film und
wurde beim Deutschen Filmpreis in der Kategorie Publikumspreis: „Deutscher
Kinofilm des Jahres 2000“.
Der
Film spielt an der Universität Heidelberg, wo eine uralte Geheimloge von Ärzten
und Studenten, die „Antihippokraten“, ihr Unwesen treibt und Menschen bei
lebendigem Leib seziert. Der Großmeister dieser Loge hat schon im Dritten Reich
mit Kriegsgefangenen grausame medizinische Experimente durchgeführt.
Gezeigt
werden auch Rituale in freimaurerischer Bekleidung mit Schurz und Handschuhen
und entsprechender freimaurerischer Tempelausstattung.
Die
Fortsetzung des Films verlagert mit den gleichen Protagonisten den Schauplatz
von Heidelberg nach Berlin.
Bereits
vor dem Kinostart versuchte die VGLvD durch eine Abmahnung den Film zu
verhindern. Da die Macher es jedoch vermieden hatten, den Begriff „Freimaurer“
im Film zu verwenden, wurde argumentiert, dass „Loge“ nicht unbedingt mit
„Freimaurern“ gleichzusetzen ist. Außerdem wurde die „Aktivlegitimation“ (Klagebefugnis) der VGLvD
bestritten, da sie nicht alle „freimaurerischen“ Organisationen vertrete.
Zum
Glück für die deutsche Freimaurerei blieb die Sache außergerichtlich, sodass
keine Schadenersatz- und Kostenerstattungsansprüche gegeben waren bzw. geltend gemacht
werden konnten. Die gerade in diesem Fall gemachten Erfahrungen haben uns sehr
vorsichtig werden lassen, soweit es sich um zivilrechtlich geprägte Fälle
handelt. Und strafrechtlich dürfte ein Film kaum Ansatzpunkte bieten, da man
für einen solchen immer die Freiheit der Kunst gemäß Grundgesetz Artikel 5
Absatz 3 in Anspruch nehmen kann.
Dieser
Film ist eine weitere Variante des „Jack the Ripper“-Motivs.
Polizeiinspektor
Frederick Abberline (gespielt von Johnny Depp) lebt am Ende des 19.
Jahrhunderts in London. Er verlor seine Ehefrau und sein Kind; seitdem ist er
drogenabhängig. Abberline untersucht Morde an Prostituierten, die Jack the
Ripper beging. Eine Verschwörung der Freimaurer behindert die Ermittlungen.
Abberline findet trotzdem heraus, dass hinter den Morden der Adelige Sir
William Gull steht. Sir William Gull ist ein Arzt der königlichen Familie, er
wollte die Existenz eines unehelichen Kindes des Thronfolgers vertuschen.
Sir
William Gull gehört einer Freimaurerloge an, die Freimaurer unterziehen ihn als
Strafe für seine Taten einer primitiven Form der Lobotomie, d.h. sie machen ihn
durch einen chirurgischen Eingriff im Gehirn zu einem stammelnden Idioten.
Auch
in diesem Film schwelgt die Kamera in Bildern von Tempelarbeiten in voller maurerischer
Bekleidung und in Nahaufnahmen von freimaurerischen Symbolen.
Dieser
Film löste sehr viele Anfragen an die FAQ-Redaktion aus, in denen wir gebeten
wurden, ausführlich Stellung zu nehmen, „ob a) Jack the Ripper wirklich
Freimaurer war und b) ob es immer noch üblich ist, bei Freimaurern, die sich
etwas zu schulden kommen lassen, Eingriffe im Gehirn vorzunehmen.“
Natürlich
verbietet es die Höflichkeit, nach dem Gehirn der Fragesteller zu fragen.
Womit ich beim
letzten Punkt meiner Ausführungen angelangt bin, dem
Internet
Es gibt eine
unübersehbare Vielzahl antimasonischer Webseiten, denen unterschiedlichste
Motive zu Grunde liegen und deren Betreiber aus den unterschiedlichsten Lagern
kommen – rechtsradikale in der Tradition von Ludendorff, Paranoiker, persönlich
Enttäuschte, verquere Mystiker, radikale Islamisten, christliche Sektierer und
andere mehr. Dies wäre das Thema für eine umfangreiche Studie. Ich möchte mich
an dieser Stelle auf einen einzigen Punkt im weltweiten Netz konzentrieren: Die
FAQ-Seiten der VGLvD, denn diese sind die virtuelle Schnittstelle zwischen der
Öffentlichkeit und der offiziellen Freimaurerei im Internet, die jede Woche
mehrere tausend Zugriffe zu verzeichnen hat.
Br. Jost
Schaper und ich haben die FAQ 1997 eingerichtet, wobei wir von Anfang an nicht
ausgedachte, imaginäre selbst gestellte Fragen beantwortet haben, sondern nur
echte Fragen von Internetnutzern. Im Lauf der Jahre wuchs daraus eine
umfangreiche Redaktion und inzwischen haben wir mehr als tausend Fragen
beantwortet.
Eine Fundgrube
ist dabei die monatliche Logdatei des FAQ-Suchmoduls, die aufzeigt, nach
welchen Begriffen gesucht wird. Neben „normalen“ Fragen wie Aufnahmebedingungen
und Höhe des Mitgliedsbeitrags tauchen hier Monat für Monat Begriffe aus
Verschwörungsvorstellungen auf, wobei sich aktuelle Bücher oder Filme sofort
auf die Häufigkeit der entsprechenden Suchbegriffe auswirken. Hier Beispiele
aus den Monaten Januar und Februar 2007:
Illuminaten,
die Zahl 23, Jack the Ripper, Luzifer, Opfer, P2 – Propaganda due, Satanismus,
Strafen, Weltherrschaft, Antichrist, Area 51, Außerirdische, Baphomet, Aleister
Crowley, Saturnalien, Leonardo da Vinci, Selbstmord, Weltregierung, Barschel,
DDR-Fahne, Dan Brown, bis hin zu formulierten Fragen wie „Ist die Freimaurerei
unterwandert?“ und „War Papst Johannes Paul II. Freimaurer?“
Zwei originale
Email-Anfragen möchte ich zum Abschluss zur Gänze zitieren, um einen Eindruck
zu geben:
Anfrage 1:
Mein Urgroßvater war ein FM-Bruder. Er soll laut
seiner Frau eine schwarze Kugel erhalten haben, die bedeute, dass er geopfert
würde. Am nächsten Tag wurde er tot aufgefunden und war offenbar auf zwei
Treppenstufen zu Tode gestürzt. Sein Tod (11.02.1928) löste eine Kette von
weiteren Ereignissen aus.
Nun bin ich, als die Älteste in der 3. Generation, vor die Aufgabe gestellt,
Licht in die Geschichte zu bringen.
Anfrage 2:
[1] Robert Shea und Robert Anton Wilson „Illuminatus!“, Trilogie, „Das Auge der Pyramide“, Reinbek 1980, „Der Goldene Apfel“, Reinbek 1981, „Leviathan“, Reinbek 1981.
[2] Robert Anton Wilson, 18.1.1932 bis 11.1.2007, amerikanischer Autor, Philosoph und Anarchist.
[3] Robert Anton Wilson „Und die Erde wird beben“, Reinbek 1989, S. 315 ff.).
[4] Dan Brown „Illuminati“, Bergisch Gladbach 2003, S. 60.
[5] Baigent, Leigh und Lincoln „Der heilige Gral und seine Erben“, Bergisch Gladbach 1984.
[6] 3 Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Amerikas neuester Bestseller – Sein Name ist Brown, Dan Brown“, von Hannes Hintermeier, 20. Januar 2004.
[7] Süddeutsche Zeitung: „Abschied von Europa – Der erste Rumsfeld-Roman: Dan Browns Thriller ‚Sakrileg‘“, von Thomas Steinfeld, 26. Februar 2004.